Produktfotos waren lange Zeit Profisache. Neben der Studio-Blitzanlage waren Vorrichtungen wie große Reflektoren im Einsatz, Hohlkehlen für eine schattenlose Ausleuchtung und leichtere Freistellung. Und natürlich ging ohne Mittelformatkameras gar nichts. In Zeiten von Ebay, Foodblogs und Online-Shops beschäftigen sich offensichtlich zigtausende mit dem Thema. Und sehr sehr viele bringen tolle Ergebnisse hervor. Wer durch Foodblogs stöbert muss sich wundern, wie viele Blogger zuhause Aufnahmen hinbekommen, die man in dieser Qualität noch vor kurzer Zeit nur in Zeitschriften gesehen hat.
Da Herbst und Winter ja auch Ebay-Saison sind, hier in paar allgemeine Tipps, wie man mit vergleichsweise wenige Aufwand zu brauchbaren Produktfotos kommt. Für spezielle Aufgaben wie Flaschenfotos oder Food-Fotografie kann man sicher noch zwei Dutzend weitere Tipps geben (hier sind zum Beispiel welche für ein schönes Bokeh), aber für den Alltagsgebrauch sollte eigentlich jeder mit Digitalkamera und einem PC / Mac damit hinkommen.
Das Schöne an der digitalen Fotografie ist ja, dass man das Prinzip Versuch und Irrtum ausreizen kann. Auch bei diesen Tipps kann man nachjustieren, bis man das gewünschte Ergebnis erzielt.
1. Produktfotos mit natürlichem Licht
Ein erschreckendes Anfänger-Erlebnis ist ja oftmals, dass die Produktfotos, die man auf dem Wohnzimmertisch gemacht hat, total verwackelt und körnig sind. Was uns hell vorkommt, ist für die Kamera oftmals – trotz bunt strahlendem Display – graue Soße. Wenig Licht führt zu langen Belichtungszeiten und / oder hoher Empfindlichkeit. Beide stellt die Kamera oftmals automatisch ein. Und wo wir soeben im Freien noch tolle Ergebnisse bekamen, siehts im Wohnzimmer dagegen sprichwörtlich dunkel aus.
Also gehen Sie ans Fenster. Selbst das Nordfenster sollte tagsüber ausreichen, wenn draußen nicht totales Schietwetter ist. Die Fenster mit direkter Sonneneinstrahlung sollten Sie dagegen meiden: Die hässlichen Kontraste sind kaum auszugleichen. Ein gleichmäßiges Licht ohne zu starke Schlagschatten ist ideal. Einzige Ausnahme ist eine sehr tiefstehende Sonne, die schon durch die Atmosphäre abgemildert ist. Aber warten Sie besser nicht darauf.
2. Vergessen Sie den eingebauten Blitz
Blitze sind tolle Lichtspender. Erst recht, wenn man sie individuell / manuell steuern kann, die Reflektoren gegen die Decke richten kann oder andere Aufheller nutzt. Der kleine Blitz über der Linse ihrer Kamera dagegen hat nur von vorne viel Licht auf das Objekt, das im Gegensatz zur Umgebung überstrahlt. Das kommt bei Produktfotos eher schlecht an.
3. Stative oder Auflagen
Ein Stativ ist hilfreich, wenn man in der Wohnung fotografiert. Auch wenn Ihnen eine 30stel Sekunde ziemlich kurz vorkommt: Ob das Bild verwackelt ist, sehen Sie erst später am Bildschirm. Wenn kein Stativ zur Hand ist, behelfen Sie sich mit einem Bücherstapel oder anderen Stützen, auf die Sie die Kamera platzieren können. Und damit es beim Auslösen nicht doch noch verwackelt, benutzen Sie den Selbstauslöser. (Mit dem hat man früher Selfies gemacht, Sie erinnern sich?)
4. Tiefenschärfe
Manche Dinge sollen von vorne bis hinten knackscharf sein. Das macht Ihre Digitalkamera wahrscheinlich ganz automatisch so. Aber Sie kennen den Effekt, dass in einem guten Foto nur der bildwichtige Teil scharf ist, und der Rest etwas verschwommen. Das bekommen Sie für ein gutes Produktfoto mühelos mit einer DSLR und einem lichtstarken Normal-Objektiv hin. Ideal ist das klassische 50-mm-Objektiv mit Lichtstärke 1,8. Sie fotografieren dazu mit offener Blende (also zum Beispiel 1,8).
Wenn ihre kompakte Digitalkamera nur ein Objektiv mit geringerer Lichtstärke hat (vielleicht 5,6), dann können Sie vielleicht das eingebaute Zoom nutzen. Festbrennweiten sind ja sowie eher selten geworden. Und eine geringere Tiefenschärfe können Sie auch erzeugen mit einer längeren Brennweite. Also gehen Sie auf die Tele-Einstellung. Und dann entfernen Sie sich gerade so weit von Ihrem Objekt, dass es an der Naheinstellgrenze leigt (einfach ausprobieren). Den Nachteil, dass dann automatisch eine langsamere Verschlusszeit gewählt wird, können Sie ausgleichen. Sie setzen einfach das Stativ oder die Buchauflage ein und benutzen den Selbstauslöser.
5. Flat-Style: senkrecht von oben
Sie sind im Internet schon auf die flat-style Aufnahmen gestoßen? Da werden ein malerisches Sammelsurium drapiert, gerne irgendwelchen stylischen Objekte. Also das Smartphone neben dem Laptop, dazu eine Sonnenbrille und die dampfende Kaffeetasse. (Fragen Sie nicht, warum es auf Ihrem Schreibtisch nie so stylisch aussieht.) Im Prinzip können Sie das ohne technische Aufwendung zuhause nachstellen. Wichtig ist, dass Sie nicht schräg, sondern senkrecht von oben fotografieren.
Deswegen ist es eher knifflig, dafür den Schreibtisch zu nehmen. Denn dann müssen Sie zum Fotografieren auf Stuhl oder Leiter steigen. Ideal ist der Fußboden vor Ihrer Balkontür, wenn dort nicht gerade die Sonne direkt hineinscheint. Wenn Sie keinen schönen Holz- oder Steinfußboden haben, nehmen Sie eine andere glatte Platte oder Fläche. Vielleicht haben Sie auch noch Dielen übrig oder einen anderen großen Karton von einer Verpackung. Es geht auch Zeichenkarton, vorzugsweise in weiß oder lichtgrau. Und wenn durch die Balkontür noch immer zu viel Licht hereinkommt, stellen Sie gegenüber, also vor sich, einen anderen weißen Karton, der das Licht reflektiert. Versuchen Sie besser nicht, mit einem Blitz aufzuhellen, das ist eher schwierig.
Normalerweise hat Ihre Kamera einen automatischen Weißlichtabgleich. Der sorgt dafür, dass Sie statt der Balkontüre auch Lampen benutzen können. Eine Stehlampe links, eine rechts, beide möglichst mit indirektem Licht, also keine Strahler. Funktioniert der Weißlichtabgleich nicht, werden die Bilder unter Glühlampenlicht rotstichig, bei Neonlampen grünstichig.
Für wenig Geld…
Die bisherigen Tipps haben keine zusätzlichen Kosten verursacht. Wenn Sie allerdings öfters gute Produktfotos brauchen, lohnt sich vielleicht ein kleines Lichtzelt oder ein paar günstige Reflektoren. Beide ergeben ein weiches, ziemlich gleichmäßiges Licht und liegen in der Preisklasse unter 50 Euro.
Natürlich können Sie noch viel mehr Aufwand treiben. Aber mit diesen Tricks sollten Sie die Situation so meistern, dass Sie klare Darstellungen für einen bestimmten Zweck hinbekommen – ohne dass Sie größere Einkäufe für Zubehör tätigen. Denn egal ob Sie für Ebay, das Foodblog oder Ihren Shop fotografieren: bessere Bilder erzeugen mehr Aufmerksamkeit und auch Vertrauen in das Produkt.