Analoge Objektive liegen bei vielen Fotografen noch aus früheren Jahren herum. Kannst Du sie noch nutzen? Und warum solltest Du sie an einer modernen digitalen Kamera überhaupt verwenden? Wer Lust auf neue Erfahrungen hat und sich aus seiner Komfortzone heraus traut, für den haben die alten Schätze viele positive Überraschungen parat.
Analoge Objektive: nicht ausmustern
Der erste Gedanke bei dieser Kombination analoges Objektiv an moderner Kamera ist: Das passt doch gar nicht. Aber in den allermeisten Fällen kann man es passend machen. Es gibt unzählige Adapter für die Verwendung alter Linsen an neuen Kameras. Alte analoge Objektive von Zeiss, Nikon, Canon, Minolta etc. fühlen sich im Vergleich zu vielen Plastik-Standard-Zooms nicht nur hochwertiger an. Sie sind meistens auch mit guten Gläsern versehen und – zumindest als Fest-Brennweiten – auch lichtstark. Und damit liefern sie ein ausgesprochen schönes Bokeh, also einen reizvollen Unschräfebereich, der das Hauptmotiv herausstellt. Das Standard-Objektiv mit 50 mm für Kleinbild kam oft mit Blendenöffnung 1,8, auch die 85-mm-Porträt-Brennweite. Und Weitwinkel mit Blende 2,0 sind ebenfalls mehr als brauchbar.
Was kostet der Spass?
Oft ist man mit 20 bis 30 Euro für einen Adapter dabei und kann damit sein analoges Objektiv problemlos auch an einer neueren Kamera verwenden. Der Betrag richtet sich danach, ob man eine der häufigeren Kombinationen von Marke Kamera / Marke Objektiv nutzen möchte und wieviel Komfort der Adapter bieten soll. Die einfachsten Adapter sind rein manuell, aber wen kümmerts? Die alten Linsen sind ja auch manuell. Wer heute alle Vorteile modernster Adapter für moderne Objektive nutzen will, der kann für einen Metabones Speedbooster auch schon mal 800 Euro hinlegen. Das gilt aber dann zum Beispiel für die Verwendung hochwertiger moderner, digitaler Objektive an der neuen digitalen Kamera. Das mag sinnvoll sein, wenn man einige hochwertige Objektive anderer Hersteller erst seit kurzer Zeit hat und das Angebot für die neue Kamera eben nicht die gewünschte Linse umfasst.
Ein ganz anderes Kaliber sind moderne manuelle Objektive. Einige von ihnen wurden speziell für Videoaufnahmen konzipiert. Sie haben einen nicht klickenden Blenden-Einstellring und der Fokussier-Ring ist bereits mit einem Zahnkranz für Follow-Focus versehen. Sie sind lichtstark, haben eine erstklassige optische Qualität und kosten im Vergleich zu den vollelektronisch gesteuerten Objektiven manchmal deutlich weniger – manchmal auch nicht. Ich verwende zum Beispiel das Walimex 1.5 35 mm.
Wann ist die Verwendung alter analoger Objektive sinnvoll?
Sinnvoll ist der Einsatz naloger Objektive immer dann, wenn die alte Linse etwas hat, was die neuen nicht haben. Idealerweise haben die älteren Objektive gutes Glas, keine Beschädigungen, Kratzer oder Pilzflecken. Und wenn sie lichtstark sind, zaubern sie ein Bokeh in meine Aufnahmen, das ich mit vielen anderen Linsen nicht hinbekomme.
Wer Videos macht und eine geringe Tiefenschärfe nutzen will, der freut sich über die langen Einstellwege beim Fokus. An einem modernen Objektiv steuern die Motoren den Fokussierring oft nur über eine Viertel Umdrehung. Manche alten analogen Objektive nutzen dagegen größere Verstellwege, da macht das Fokussieren wieder mehr Spass. Erst recht, wenn man eine recht preiswerte Follow-Focus-Lösung nutzen kann.
Alte analoge Objektive sind preiswert, um nicht zu sagen billig. Das gilt nicht nur für die, die ich sowieso bereits zuhause habe, sondern auch für viele, die ich mir gebraucht kaufen kann.
Auf was muss ich achten?
Zunächst sollte der Zustand gut, die Verstellungen leichtgängig sein. Als nächstes sollte man beachten, dass beispielsweise bei einer modernen digitalen Kamera mit APS-C Sensor sich die Brennweite um 1,5 oder 1,6 verlängert und bei Micro Four Thirds Kameras sogar um den Faktor 2.
Das bedeutet in der Praxis, dass vor allem lichtstarke weitwinklige analoge Objektive gut einsetzbar sind. Wer noch eine Porträt-Brennweite mit 85 mm 1,8 im Schrank hat, der ist nun bei einer Brennweite von etwa 130 mm oder gar 170 mm. Dafür wird der Einsatzbereich eher kleiner. Wer sich dagegen früher ein 1,7 35 mm Objektiv angeschafft hat, der hat nun für APS-C-Sensoren eine Standard-Brennweite, die den damaligen 50 mm am Kleinbild-Format entsprach. Und umgekehrt ist die alte lichtstarke 50-mm-Brennweite, die heute noch gerne als Standard empfohlen wird, für die meisten Kameras eher ein Tele, also wesentlich weniger universell nutzbar.
Die Nachteile
Mit dem Einsatz der alten analogen Objektive ist meistens eine Umstellung verbunden: Man muss tatsächlich wieder von Hand fokussieren. Wer eine moderne Kamera mit Fokussierhilfe besitzt, kann sich glücklich schätzen. Diese optische Markierung der scharf gestellten Kanten macht das Arbeiten viel flotter. Die Belichtung lässt sich oftmals auch weiter automatisch einstellen. Im Idealfall sucht die Kamera in einem Automatikprogramm die passende Verschlusszeit und den passenden ISO-Wert. Wenn man das so möchte.
Wenn ich volle Kontrolle über alle drei Faktoren haben will, muss ich alles von Hand einstellen und das Ergebnis im Sucher und mit Testaufnahmen kontrollieren. Meine Erfahrungen damit sind gut. Meine Canons (55oD mit Magic Lantern, EOS M und EOS M6) erlauben diese halbautomatischen Möglichkeiten. Gelegentlich muss man der Kamera noch über das Menü sagen, dass sie auch ohne automatische Blendensteuerung und Datenübertragung auslösen soll.
Mein Fazit
Die alten, guten Objektive für wenig Geld zu verkaufen, habe ich noch nie übers Herz gebracht. Außerdem kann an diesen manuellen Linsen ja fast nicht kaputt gehen. Die Adapter erschließen für wenig Geld neue Möglichkeiten, die ich sonst vielleicht nur mit ziemlich teuren Objektiven hätte. Für Point-and-shoot-Fotografie sind die Oldies zu langsam und umständlich. Aber wer sich Zeit nimmt für seine Bilder oder gar mit Stativ unterwegs ist, dem machen die manuellen Linsen bestimmt viel Freude.