Mischlicht beim Fotografieren in der Dämmerung gilt heute als reizvoll. Früher in Zeiten analoger Fotografie auf Film war die Vermischung von spärlichem Tages- oder Abendlicht mit dem Schein von Glühlampen und Neonleuchten eher gefürchtet. Der Farben-Mischmasch, der daraus entsteht, galt als schwer kontrollierbar. Heute darf es in der Fotografie durchaus bunter sein. Und wenn eine farblich unattraktiv wirkt, lässt sich ggf. auch in der Nachbearbeitung gegensteuern. Aber in den allermeisten Fällen sind Aufnahmen, die bei Mischlicht entstanden, sehr reizvoll und brauchen außer den üblichen kleineren Korrekturen in Programmen wie Lightroom oder Photoshop keine Sonderbehandlung.
Mischlicht ist vielen kein Begriff. Und es ist auch meist nicht klar, warum man für diese Lichtsituation überhaupt eine eigene Bezeichnung hat. Der Aha-Effekt bei vielen Fotografen kommt meistens bei Aufnahmen in Innenräumen, wenn verschiedene Lichtquellen eingeschaltet sind. Am extremsten wirkt das Licht alter Glühlampen, das dem ganzen Bild einen rötlichen, oft unnatürlich wirkenden Schimmer verleiht. Am anderen Ende der Skala steht das Licht der Neonröhren, das alles grün färbt.
Dass Mischlicht-Fotografie dennoch einen Reiz hat und tolle Aufnahmen hervorbringt, das liegt eben an der Mischung. Bei Außenaufnahmen sollte das natürlich Licht in der abendlichen oder morgendlichen Dämmerung noch so stark sein, dass es eine Szene beleuchtet und zum Beispiel auch dem Himmel ein schönes Blau oder Rose verleiht. Eben diese Mischung macht den Reiz aus, den es einzufangen gilt.
Die Gefährdung durch Glühlampenlicht oder Neonröhren ist aber nicht nur wegen des natürlichen Lichts bei Außenaufnahmen geringer. Fast alle Leuchtmittel gibt es heute in Warmweiß, kaltweiß, Tageslichtfarben. Hinzu kommen ungezählte Varianten durch moderne Straßenlampen, gemischte Lichter in Fenstern und Schaufenstern, LED-Lampen etc.
Eine gute und ausgewogene Mischlichtaufnahme ist für mich eine, in der schwaches Tageslicht dafür sorgt, dass eine Szene erkennbar bleibt und nicht die Hälfte des Bildes in Schatten ‘ersäuft’. Gleichzeitig setzt die Beleuchtung in den Häusern und Straßen eigene Akzente. Hier sind meine Tipps, wie Du diese besondere Lichtsituation am besten einfängst.
Was ist Mischlicht?
Damit andere Lichter gut erkennbar sind, braucht es die richtige Lichtmenge an natürlichem Licht. Viele Fotografen kennen das Phänomen der goldenen und der blauen Stunde. Die goldene Stunde ist die Zeitspanne nach dem Sonnenaufgang und kurz vor dem Sonnenuntergang. Das Sonnenlicht ist also noch vorhanden und gibt wegen der tiefstehenden Sonne im Idealfall einen goldenen Schein.
Die blaue Stunde ist dagegen ein Zeitraum, den viele Fotografen knapp verpassen, weil sie nach dem Sonnenuntergang ihre Ausrüstung wieder einpacken. Die blaue Stunde ist der Zeitraum kurz vor dem Sonnenaufgang und kurz nach dem Sonnenuntergang.
Wer sich für seine Aufnahmen vorher orientieren möchte, dem genügt die Zeitangabe von Sonnenauf- und untergang. Für reizvolle Aufnahmen in der kalten Jahreszeit kannst Du etwa eine gute halbe Stunde davor und danach einplanen. Wer es genauer plan und wissen will, dem empfehle ich einen Sonnenstands-App wie PhotoPills, die ich auch benutze. Hier habe ich mal einen kurzen Artikel zu Sonnenstand-Apps geschrieben.
Welche Kamera brauche ich?
Vom iPhone bis zur schweren Vollformat-DSLR kannst Du alles benutzen. Dadurch, dass der Himmel noch Helligkeit aufweist, lassen sich zumindest mit Belichtungsvariationen gute Ergebnisse erzielen. Allerdings spielt die Sensorgröße – wie bei allen Aufnahmen – eine wichtige Rolle für die Bildqualität. Kurz gesagt ist das Bildrauschen, die Körnigkeit umso schlimmer, je kleiner der Bildsensor Deiner Kamera ist. Vom Smartphone über eine Kompaktkamera, APS-C- und Vollformatkamera sollten die Ergebnisse also immer besser werden. Ich verwende dafür vorzugsweise die Canon EOS M6, eine Kamera mit einem APS-C-Sensor und Klapp-Display.
Andererseits sind diese Qualitätsansprüche für Mischlichtaufnahmen nicht ganz so bedeutsam. In der Regel leben diese Bilder von den Farben, und die Dinge, die Du fotografierst sind auch nicht so kleinteilig und detailliert, dass es auf jedes Pixel ankommt. In der Regel sind es Ortsansicht, Bilder von Straßenzügen oder ganze Stadtteile und Dörfer, die Du als Motiv wählst.
Natürlich fallen auch streng genommen Porträts unter einer Straßenlaterne in die Kategorie Mischlicht-Aufnahmen. Aber angesichts der fast unkontrollierbaren Lichtmischung halte ich Porträts für nicht geeignet.
Welche Ausrüstung ist praktisch?
Neben der Sonnenstands-App und einer Kamera ist ein Stativ eine gute Hilfe. Es gibt Dir die Gelegenheit, Deine Bild auch unter schlechteren Lichtbedingungen sorgsam zu kontrollieren und komponieren. Du kannst längere Belichtungszeiten verwenden und die weiter abblenden, was Dir eine bessere Tiefenschärfe bringt.
Auf der anderen Seite sind solche Foto-Exkursionen für Mischlicht-Aufnahmen im Wortsinn kurzweilige Aufnahmen. Dieses besondere Licht kannst Du jetzt in der kalten Jahreszeit etwa eine Stunde lang nutzen. Mit Stativ-Aufbau und ein paar Ortswechseln reicht das nicht weit. Andererseits sind Kameras mit lichtstarken Objektiven, vorzugsweise lichtstarken Weitwinkel-Objektiven, und einer Bildstabilisierung auch durchaus für Aufnahmen aus der Hand geeignet. Und natürlich ist ein lichtstarkes Normalobjektiv ideal dafür. Ich verwende das Canon EF-M 22mm F2.o.
Du kommst schneller voran, kannst mehr Aufnahmen machen, spontaner fotografieren. Am Ende des Tages wirst Du mit mehr Bildern nach Hause kommen. Eventuell sind so aber auch einigen verwackelte Bilder dabei. Oder Aufnahmen, bei denen Du kein so ausgewogenes Licht festhalten konntest. Dann sind vielleicht einzelne Lichtquellen überstrahlt und mit etwas mehr Aufwand bei Komposition und Bildausschnitt wären die Ergebnisse besser.
Wo und wann finde ich die besten Motive?
Die meisten von uns werden für Mischlichtaufnahmen wohl die Dämmerungszeiten am Abend nutzen. Es sind mehr Lichter in den Haushalten und Geschäften an, es ist mehr los auf den Straßen, die Szenen sind belebter. Und damit ist auch die Frage nach den besten Locations beantwortet.
Landschaftsaufnahmen eigenen sich weniger, auch mittendrin im Trubel einer Innenstadt wirst Du das ausgewogene Verhältnis von künstlichem und natürlichem Licht kaum finden. Ideal sind die Grenzräume. Wenn bei Deinen Stadtbildern auch der leuchtende Himmel zum Tragen kommt. Oder wenn Du Ortschaften in einer Ansicht mit vielen reizvollen Details und Lichtern fotografieren kannst.
Kann ich nachhelfen, um diese Stimmung zu verstärken?
Beeinflussen sollte man solch eine Lichtstimmung wenn überhaupt nur sehr behutsam. Um mit einem Blitz zum Beispiel bestimmte Bildelemente aufzuhellen braucht es entweder sehr viel Erfahrung oder sehr viele verschiedene Versuche. Mit Dauerlicht ist der Aufwand noch größer. Allenfalls die Autoscheinwerfer kann man in manchen Situationen einsetzen.
Auch von Filtern, die Farbtöne von Kunstlicht dem Tageslicht anpassen, oder umgekehrt das Tageslicht dem Kunstlicht, würde ich die Finger lassen. Die Kosten für diese Filter lohnen sich wahrscheinlich nur in den seltensten Fällen und auch die Handhabung braucht Erfahrung.
Lohnend ist dagegen die Auseinandersetzung mit Bildbearbeitungs-Programmen wie Lightroom oder Photoshop. Hier kann man wirklich noch vergleichsweise viel aus seinen Aufnahmen herausholen. Und oft erfährt man ja auch in der Nachbearbeitung, was man bei den nächsten Aufnahmen besser machen kann. Zum Beispiel total dunkle Bildbereiche vermeiden, die Rausch-Grenze bei der Empfindlichkeit und ISO-Einstellung berücksichtigen und den richtigen Anteil an Himmel und Himmelslicht einschätzen.